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Analysis-Blog: Folge 69

Das Integral für Regelfunktionen

Unser allgemeiner Integralbegriff


Peter Becker

veröffentlicht: 27 Dec 2024, zuletzt geändert: 10 Jan 2025 09:23

Schlüsselwörter: Treppenfunktion, Regelfunktion, Integral

In dieser Folge zeige ich Dir, was man unter einem Integral versteht. Wir nutzen das Integral für Regelfunktionen, das für praktische Zwecke vollkommen ausreichend ist. Es basiert auf Regelfunktionen, die wiederum auf Treppenfunktionen basieren, die Du ja schon aus der letzten Folge kennst.

Regelfunktion

Zuerst definieren wir, was eine Regelfunktion ist.

Definition

Eine Funktion $f:[a,b]\rightarrow\R$ heißt Regelfunktion, wenn es eine Folge $(T_n)_{n\in\N}$ von Treppenfunktionen gibt, so dass $T_n$ für $n\rightarrow\infty$ gleichmäßig gegen $f$ konvergiert.

Von fundamentaler Bedeutung ist hierbei die gleichmäßige Konvergenz. Wenn wir nachweisen möchten, dass eine Funktion $f:[a,b]\rightarrow\R$ eine Regelfunktion ist, dann genügt \[ \lim_{n\rightarrow\infty} T_n(x) = f(x) \] alleine nicht, denn dies bezeichnet nur, wie wir wissen, die punktweise Konvergenz der Funktionen $T_n(x)$ gegen $f(x)$. Für den Nachweis, dass eine Regelfunktion vorliegt, müssen wir zusätzlich nachweisen, dass die Konvergenz von $(T_n)$ gegen $f$ gleichmäßig ist.

An dieser Stelle bietet es sich an, ein einfaches Beispiel für eine Regelfunktion zu betrachten, damit der Begriff noch klarer wird.

Beispiel 1

Es sei $f(x)=x$ auf dem Intervall $[0,1]$. Wir zeigen, dass diese Funktion eine Regelfunktion ist.

Für den Nachweis müssen wir eine Folge $(T_n)_{n\in\N}$ von Treppenfunktionen finden, die auf dem Intervall $[0,1]$ gleichmäßig gegen $f(x)$ konvergiert.

Für $n\in\N$ sei $T_n:[0,1]\rightarrow\R$ definiert durch \[ T_n(1) = 1\quad\textnormal{und}\quad T_n(x) = \frac{i}{n} \textnormal{ für } x \in \left[\frac{i-1}{n},\frac{i}{n}\right), i=1,\ldots,n. \] Die Funktion $T_4(x)$ sieht beispielsweise folgendermaßen aus.

Der blaue Graph stellt die Treppenfunktion $T_4(x)$ dar, während der braune Graph für die Funktion $f(x) = x$ steht.

Für $T_n(x)$ haben wir damit die Zwischenpunkte $x_i=\frac{i}{n}$, für $i=0,\ldots,n$ und es gilt $a_i=\frac{i}{n}$ für $i=1,\ldots,n$.

Die größte Abweichung zwischen der Treppenfunktion $T_n(x)$ und $f(x)$ tritt an den Zwischenpunkten auf. Die Differenz beträgt dort $\frac{1}{n}$. Für $x\in[x_{i-1},x_i)$ gilt somit $0 < a_i-x\leq \frac{1}{n}$ und es folgt \[ \sup_{x\in[0,1]} |f(x)-T_n(x)| = \frac{1}{n} \stackrel{n\rightarrow\infty}{\longrightarrow} 0. \] Also konvergiert die Treppenfunktionsfolge $(T_n)$ gleichmäßig gegen $f$ womit $f$ eine Regelfunktion ist.

Auf diese Weise können wir noch viele weitere Funktionen durch Treppenfunktionen approximieren. Wir werden später noch festhalten, dass dies beispielsweise für jede stetige Funktion möglich ist und somit jede stetige Funktion auch eine Regelfunktion ist.

Integral für Regelfunktionen

Angenommen wir haben eine Regelfunktion $f:[a,b]\rightarrow\R$ mit einer zugehörigen Folge $(T_n)$ von Treppenfunktionen, die gleichmäßig gegen $f$ konvergiert. Für die Treppenfunktionen haben wir bereits einen Integralbegriff. Wir können damit für jedes $n\in\N$ \[ \int_a^b T_n(x)\,dx \] berechnen, wobei so für jedes $n\in\N$ eine reelle Zahl entsteht. Damit ist die Folge \[ \left( \int_a^b T_n(x)\,dx \right)_{n\in\N} \] dieser Zahlen eine Zahlenfolge. Unser erster zentraler Satz zur Konstruktion des Integralbegriffs besagt nun, dass solch eine Folge immer konvergent ist, also \[ \lim_{n\rightarrow\infty} \int_a^b T_n(x)\,dx \] immer existiert.

Satz 1

Es sei $f:[a,b] \rightarrow \R$ eine Regelfunktion und $(T_n)$ eine Folge von Treppenfunktionen, die gleichmäßig gegen $f$ konvergiert.

Dann ist die Zahlenfolge \[ \left( \int_a^b T_n(x)\,dx \right)_{n\in\N} \] konvergent.

Beweis

Um zu zeigen, dass $\left( \int_a^b T_n(x)\,dx \right)_{n\in\N}$ konvergent ist, zeigen wir, dass diese Folge eine Cauchy-Folge ist. D. h., wir müssen \[ \forall\epsilon > 0 \exists n_0 \in \N \forall n,m \geq n_0: \left| \int_a^b T_n(x)\,dx - \int_a^b T_m(x)\,dx \right| < \epsilon \] zeigen.

Sei $\epsilon > 0$ beliebig. Wir definieren $\epsilon' := \frac{\epsilon}{2(b-a)}$. Damit gilt insbesondere auch $\epsilon' > 0$.

Nach Voraussetzung ist die Konvergenz der $T_n$ gegen $f$ gleichmäßig, d. h. es existiert ein $n_0\in\N$, so dass für alle $n\geq n_0$ gilt: \[ \sup_{x\in[a,b]} |T_n(x) - f(x)| < \epsilon'. \]

Seien nun $n,m \geq n_0$ beliebig. Dann gilt \begin{eqnarray*} |T_m(x)-T_n(x)| & = & |T_m(x) - f(x) + f(x) - T_n(x)| \\ & \leq & |T_m(x) -f(x)| + |f(x) - T_n(x)| \\ & < & 2\epsilon'. \end{eqnarray*}

Damit erhalten wir: \begin{eqnarray*} \left| \int_a^b T_m(x)\,dx - \int_a^b T_n(x)\,dx\right| & = & \left| \int_a^b (T_m(x) - T_n(x))\,dx\right| \\ & < & 2\epsilon'(b-a) = \epsilon. \end{eqnarray*} Also ist die Folge $\left( \int_a^b T_n(x)\,dx \right)_{n\in\N}$ eine Cauchy-Folge und somit konvergent.

Im nächsten Beispiel berechnen wir einmal konkret \[ \lim_{n\rightarrow\infty} \int_a^b T_n(x)\,dx \] für die Funktionenfolge aus Beispiel 1.

Beispiel 2

Es sei $(T_n)$ die Funktionenfolge aus Beispiel 1, die auf dem Interval $[0,1]$ gleichmäßig gegen $f(x) = x$ konvergiert. \begin{eqnarray*} \int_0^1 T_n(x)\,dx & = & \sum_{i=1}^n a_i (x_i - x_{i-1}) \\ & = & \sum_{i=1}^n \frac{i}{n}\cdot\left(\frac{i}{n}-\frac{i-1}{n}\right) \\ & = & \frac{1}{n^2} \sum_{i=1}^n i \\ & = & \frac{1}{n^2} \cdot \frac{n(n+1)}{2} \\ & = & \frac{1}{2}\left(1 + \frac{1}{n}\right) \end{eqnarray*} Für die Umformung zu vorletzten Zeile haben wir die Formel \[ \sum_{i=1}^n i = \frac{n(n+1)}{2} \] für die Summe der ersten $n$ natürlichen Zahlen genutzt. Sie sollte Dir bekannt sein.

Damit folgt mit Grenzwertregeln \[ \lim_{n\rightarrow\infty} \int_0^1 T_n(x)\,dx = \lim_{n\rightarrow\infty} \frac{1}{2}\left(1 + \frac{1}{n}\right) = \frac{1}{2}. \] Dieser Wert entspricht auch genau der Fläche unter dem Funktionsgraphen und über der $x$-Achse zwischen $0$ und $1$.

An dieser Stelle liegt es nahe, das Integral für eine Regelfunktion $f$ durch \[ \int_a^b f(x)\,dx = \lim_{n\rightarrow\infty} \int_a^b T_n(x)\,dx \] zu definieren. Allerdings ist noch unklar, ob der Grenzwert nicht eventuell von der Funktionenfolge $(T_n)$ abhängt. Zu einer Regelfunktion $f$ gibt es ja typischerweise viele verschiedene Funktionenfolgen, die gleichmäßig gegen $f$ konvergieren. Wenn der Grenzwert \[ \lim_{n\rightarrow\infty} \int_a^b T_n(x)\,dx \] in irgendeiner Weise von der konkreten ausgewählten Folge $(T_n)$ abhängen würde, hätten wir keinen eindeutigen Wert für $\int_a^b f(x)\,dx$. Zu unserem Glück ist dies aber nicht der Fall, wie der folgende Satz zeigt.

Satz 2

Es sei $f:[a,b]\rightarrow\R$ eine Regelfunktion und es seien $(T_n)$ und $(S_n)$ zwei beliebige Folgen von Treppenfunktionen, die gleichmäßig gegen $f$ konvergieren.

Dann gilt \[ \lim_{n\rightarrow\infty} \int_a^b T_n(x)\,dx = \lim_{n\rightarrow\infty} \int_a^b S_n(x)\,dx. \]

Beweis

Seien $(T_n)$ und $(S_n)$ zwei Folgen von Treppenfunktionen, die beide gleichmäßig gegen $f$ konvergieren.

Sei $(U_n)$ die Folge $T_1,S_1,T_2,S_2,T_3,S_3,\ldots$ oder genauer: \[ U_n = \left\{ \begin{array}{rl} T_\frac{n+1}{2} & \text{falls } n \text{ ungerade} \\ S_\frac{n}{2} & \text{falls } n \text{ gerade} \end{array} \right. \] Dann konvergiert die Treppenfunktionsfolge $(U_n)$ ebenfalls gleichmäßig gegen $f$ (mach Dir klar warum).

Mit Satz 1 folgt, dass die Zahlenfolge $\left(\int_a^b U_n(x)\,dx\right)$ konvergent ist. Es sei nun \[ a := \lim_{n\rightarrow\infty} \int_a^b U_n(x)\,dx. \]

Da $\left(\int_a^b T_n(x)\,dx\right)$ und $\left(\int_a^b S_n(x)\,dx\right)$ Teilfogen von $\left(\int_a^b U_n(x)\,dx\right)$ sind, konvergieren diese beide Folgen ebenfalls gegen $a$. Insbesondere gilt damit \[ \lim_{n\rightarrow\infty} \int_a^b T_n(x)\,dx = \lim_{n\rightarrow\infty} \int_a^b S_n(x)\,dx, \] womit der Satz bewiesen ist.

Für eine Regelfunktion $f:[a,b]\rightarrow\R$ spielt es also keine Rolle, welche gleichmäßig konvergente Folge $(T_n)$ von Treppenfunktionen wir genau betrachten. Mit Satz 1 ist stets garantiert, dass der Grenzwert \[ \lim_{n\rightarrow\infty} \int_a^b T_n(x)\,dx \] existiert und mit Satz 2 haben wir die Gewissenheit, dass auch jede andere gleichmäßig konvergente Folge zu diesem Grenzwert führt. Damit haben wir die Voraussetzungen für die Definition des Integrals für Regelfunktionen geschaffen.

Definition (Integral für Regelfunktionen)

Es sei $f:[a,b]\rightarrow\R$ eine Regelfunktion und $(T_n)$ eine Folge von Treppenfunktionen, die gleichmäßig gegen $f$ konvergiert.

Dann sei \[ \int_a^b f(x)\,dx := \lim_{n\rightarrow\infty} \int_a^b T_n(x)\,dx. \]

$\int_a^b f(x)\,dx$ heißt das Integral von $f(x)$ über dem Intervall $[a,b]$.

Beispiel 3

Aus Beispiel 1 kennen wir die Treppenfunktionsfolge $(T_n)$, für die wir gezeigt haben, dass sie auf dem Interval $[0,1]$ gleichmäßig gegen $f(x) = x$ konvergiert.

In Beispiel 2 haben wir \[ \lim_{n\rightarrow\infty} \int_0^1T_n(x)\,dx = \frac{1}{2} \] gezeigt.

Gemäß der Integraldefinition für Regelfunktionen gilt damit \[ \int_0^1 x\,dx = \frac{1}{2}. \]

Der Wert $\frac{1}{2}$ stimmt mit dem Flächeninhalt der Fläche, die im Intervall $[0,1]$ von dem Funktionsgraphen von $f(x)$ und der $x$-Achse begrenzt wird, überein.

Beispiel 4

Die nachfolgenden Grafiken machen deutlich, wie durch die Treppenfunktionsintegrale $\int_0^1 T_n(x)\,dx$ das Integral $\int_0^1 x\,dx$ approximiert wird, wobei der Approximationsfehler für $n \rightarrow \infty$ gegen Null geht.

Übung 1

Berechne mit der Definition des Integrals für Regelfunktionen:

  1. $\displaystyle\int_0^1 x^2\,dx$

    Hinweis: Es gilt $ \displaystyle\sum_{k=1}^n k^2 = \frac{1}{6} n(n+1)(2n+1) $

  2. $\displaystyle \int_a^{a+1} x^2\,dx$ für $a\in\R$

Muss noch erstellt werden.

Übung 2

Auf dem Intervall $[0,1]$ sei $f(x)=0$ für $x\in[0,1]$ und \[ T_n(x) = \left\{ \begin{array}{ll} n & \textnormal{für } \frac{1}{n} \leq x \leq \frac{2}{n} \\ 0 & \textnormal{sonst} \end{array}. \right. \]

  1. Zeige: Die Treppenfunktionenfolge $(T_n)$ konvergiert punktweise aber nicht gleichmäßig gegen $f$.
  2. Berechne $\displaystyle\lim_{n\rightarrow\infty} \int_0^1 T_n(x)\,dx$.
  3. Warum gilt \[ \int_0^1 f(x)\,dx = 0 \neq \lim_{n\rightarrow\infty} \int_0^1 T_n(x)\,dx\,? \]

Muss noch erstellt werden.

Eigenschaften des Integrals

Zunächst einmal gilt, dass jede Linearkombination von Regelfunktionen wieder eine Regelfunktion ist.

Proposition

Sind $f:[a,b]\rightarrow\R$ und $g:[a,b]\rightarrow\R$ Regelfunktionen und $\alpha\in\R$, dann sind auch $\alpha f$ und $f+g$ Regelfunktionen.

Auf einen formalen Beweis verzichte ich hier, denn die Aussagen folgen direkt aus Regeln für Grenzwerte.

Mit der folgenden Proposition sehen wir, dass die Eigenschaften des Treppenfunktionsintegrals auch für Regelfunktionen gelten.

Proposition

Sei ${\cal R}[a,b]$ die Menge der Regelfunktionen auf dem Intervall $[a,b]$.

Dann ist die Abbildung \begin{eqnarray*} \int_a^b & : & {\cal R}[a,b]\rightarrow\R \\[3mm] & & f \mapsto \int_a^b f(x)\,dx \end{eqnarray*} linear, beschränkt und monoton, d. h. es gelten die folgenden Aussagen.

  1. linear, d. h. für alle $f,g\in{\cal R}[a,b]$ gilt \begin{eqnarray*} \int_a^b \alpha f(x)\,dx & = & \alpha\int_a^b f(x)\,dx\quad\textnormal{und} \\ \int_a^b f(x) + g(x)\,dx & = & \int_a^b f(x)\,dx + \int_a^b g(x)\,dx, \end{eqnarray*}
  2. beschränkt, d. h. für alle $f\in{\cal R}[a,b]$ gilt \[ \left|\int_a^b f(x)\,dx \right| \leq \sup_{x\in[a,b]}|f(x)|\cdot(b-a) \]
  3. monoton, d. h. für alle $f,g\in{\cal R}[a,b]$ gilt \[ f(x)\leq g(x) \textnormal{ für alle } x\in[a,b]\quad\Longrightarrow\quad \int_a^b f(x)\,dx \leq \int_a^b g(x)\,dx. \]

Da unser Integralbegriff nur für Regelfunktione definiert ist, wäre es hilfreich, einfach entscheiden zu können, ob eine Funktion eine Regelfunktion ist oder nicht. Dazu wäre ein einfaches hinreichendes Kriterium sehr nützlich. Ein solches Kriterium basiert auf dem Begriff der stückweisen Stetigkeit.

Definition

Seien $a,b\in\R$.

Eine Funktion $f:[a,b]\rightarrow\R$ heißt stückweise stetig, falls es ein $m\in\N$ und $x_0,x_1,\ldots,x_m$ gibt mit

  1. $a=x_0 < x_1 < \cdots < x_m=b$,
  2. $f$ ist stetig auf jedem der Intervalle $(x_{i-1},x_i)$ und
  3. die einseitigen Grenzwerte $\displaystyle\lim_{x\searrow x_i} f(x)$ und $\displaystyle\lim_{x\nearrow x_i} f(x)$ existieren für $i=0,\ldots,m-1$ bzw. $i=1,\ldots,m$.

Eine stückweise stetige Funktion darf demnach endlich viele Sprungstellen haben. Zum Beispiel sind Treppenfunktionen stückweise stetig, ebenso die Funktion $f:[-1,1]\rightarrow\R$ mit \[ f(x) = \left\{ \begin{array}{rl} 1 - x^2 & \text{für } -1 \leq x \leq 0 \\ x^2 - 1 & \text{für } 0 < x \leq 1 \end{array} \right. \]

Satz 3

Stückweise stetige Funktionen sind Regelfunktionen.

Da stetige Funktionen natürlich auch stückweise stetig sind, sie sind ja stetig in einem Stück, sind damit insbesondere alle stetigen Funktionen auch Regelfunktionen. Du brauchst Dir also bei stetigen Funktionen niemals Gedanken machen, ob es sich um Regelfunktionen handelt, sie sind es immer. Insbesondere sind somit auch alle elementaren Funktionen, die wir bisher kennen, Regelfunktionen, denn sie sind alle stetig auf ihrem jeweiligen Definitionsbereich. Dies gilt natürlich auch für die Verknüpfung von stetigen Funktionen gemäß den bekannten Stetigkeitsregeln (Linearkombination, Produkt, Quotient und Verkettung).

Beispiel

Die Funktion \[ f(x) = \frac{(x^2-3x+1)\e^{-x^2}}{1+\cos^2(x)} \] ist eine Regelfunktion, denn sie ist nach Stetigkeitsregeln stetig auf $\R$. Damit existiert für alle $a,b\in\R$ mit $a < b$ das Integral \[ \int_a^b f(x)\,dx. \]

Allgemeine Integrationsgrenzen

Bisher haben wir für eine Integral \[ \int_a^b f(x)\,dx \] immer verlangt, dass $a < b$ gilt. Dies wollen wir mit der nächsten Definition aufweichen und auch $a \geq b$ zulassen.

Definition

Sei $f:I\rightarrow\R$ eine Regelfunktion auf einem Intervall $I\subseteq\R$ und gelte $a,b\in I$.

  1. Gilt $a < b$, so ist $\int_a^b f(x)\,dx$ schon definiert.
  2. Für $a=b$ definieren wir \[ \int_a^b f(x)\,dx := 0. \]
  3. Für $a > b$ definieren wir \[ \int_a^b f(x)\,dx := -\int_b^a f(x)\,dx. \]

Aus diesen Definitionen ergibt sich die folgende nützliche Rechenregel.

Proposition

Ist $f$ Regelfunktion auf dem Intervall $I\subseteq\R$ und sind $a,b,c,\in I$, dann gilt: \[ \int_a^b f(x)\,dx + \int_b^c f(x)\,dx = \int_a^c f(x)\,dx. \]

Wir können also zwei Integrale, bei denen die obere Grenze des ersten und die untere Grenze des zweiten Integrals übereinstimmen, immer zu einem Integral zusammenführen. Ebenso können wir ein Integral von $a$ bis $c$ immer in eine Summe von zwei Integralen aufspalten. Beachte, dass dies selbst dann gilt, wenn $a \leq b \leq c$ nicht erfüllt ist.

Damit ist die Definition des Integralbegriffs abgeschlossen. Allerdings lässt sich mit dieser Definition ein Integral nur recht mühsam berechnen, insbesondere wenn wir komplexere Funktionen betrachten. In der nächsten Blog-Folge werden wir einen zentralen Satz der Analysis herleiten, der die Berechnung eines Integrals wesentlich vereinfacht.

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