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Analysis-Blog: Folge 31

Leibniz-Kriterium

Ein Konvergenzkriterium für alternierende Reihen


Peter Becker

veröffentlicht: 12 May 2021, zuletzt geändert: 27 Apr 2025 12:00

Schlüsselwörter: Leibniz-Kriterium, alternierende Reihe

Eine alternierende Reihe ist eine Reihe in $\mathbb{R}$, bei der die Summanden ein wechselndes Vorzeichen haben. In dieser Blog-Folge lernst Du ein Konvergenzkriterium speziell für solche Reihen kennen.

Alternierende Reihen

Eine alternierende Reihe ist eine Reihe in $\mathbb{R}$, bei der die Summanden ein wechselndes Vorzeichen haben, also Reihen, die man in der Form \[ \sum_{n=1}^\infty (-1)^n a_n, \] darstellen kann, mit $a_n \geq 0$ für $n\in\mathbb{N}$. Wegen dieser Nichtnegativitätsbedingung können wir alternierende Reihen nur in $\mathbb{R}$ aber nicht in $\mathbb{C}$ betrachten, denn die komplexen Zahlen haben ja keine Anordnung.

Beispiel

Die Reihe \[ \sum_{n=1}^\infty (-1)^n\frac{1}{n} \] ist die alternierende harmonische Reihe.

Für alternierende Reihen gibt es ein interessantes Konvergenzkriterium, das sogenannte Leibniz-Kriterium.

Satz (Leibniz-Kriterium)

Wenn $(a_n)$ eine monotone Nullfolge in $\mathbb{R}$ ist, dann konvergiert die Reihe \[ \sum_{n=1}^\infty (-1)^n a_n. \]

Beachte, dass $(a_n)$ nicht nur eine Nullfolge sondern eine monotone Nullfolge sein muss. Dies wird immer wieder bei der Anwendung des Leibniz-Kriteriums in Klausuren vergessen, womit der Nachweis der Konvergenz natürlich falsch wird. Die Folge $(a_n)$ kann dabei monoton fallend oder monoton wachend sein. Wenn $(a_n)$ monoton wachsend ist, folgt daraus $a_n \leq 0$ und dieser Fall passt streng genommen nicht mehr auf die obige Definition für eine alternierende Reihe. Aber mit der Identität $\sum_{n=1}^\infty (-1)^n a_n = -\sum_{n=1} (-1)^n (-a_n)$ können wir dies natürlich leicht passend zur Definition machen.

Tatsächlich genügt es, dass die Folge $(a_n)$ ab einer Stelle $n_0$ monoton ist, sie muss nicht insgesamt monoton sein. Denn falls dem so ist, können wir einfach endlich viele Summanden aus der Reihe heraus ziehen: \[ \sum_{n=1}^\infty (-1)^n a_n = -a_1 + a_2 - a_3 + \cdots \pm a_{n_0-1} + \sum_{n=n_0}^\infty (-1)^n a_n. \] Jetzt haben wir innerhalb der Reihe wieder eine monotone Folge.

Auch liefert uns das Leibniz-Kriterium keine Aussage zum Grenzwert. Dieser muss, falls erforderlich, mit anderen Methoden ermittelt werden.

Der Beweis des Leibniz-Kriteriums ist etwas länger, enthält aber einige interessante Ideen.

Beweis

O. B. d. A. sei $(a_n)$ monoton fallend. Da $(a_n)$ außerdem eine Nullfolge ist, folgt $a_n \geq 0$ für alle $n\in\mathbb{N}$. Weiterhin sei wie üblich \[ S_n := \sum_{k=1}^n (-1)^k a_k. \] Wir zeigen zunächst, dass die Teilfolgen $(S_{2n})$ und $(S_{2n+1})$ konvergent sind und gegen den gleichen Grenzwert konvergieren.

Weil $(a_n)$ monoton fallend ist, folgt \begin{eqnarray*} S_{2n+2} - S_{2n} & = & a_{2n+2} - a_{2n+1} \leq 0\quad\textnormal{und}\\ S_{2n+3} - S_{2n+1} & = & -a_{2n+3} + a_{2n+2} \geq 0. \end{eqnarray*} Damit ist die Teilfolge $(S_{2n})$ monoton fallend und die Teilfolge $(S_{2n+1})$ ist monoton steigend. Weiterhin gilt \[ S_{2n+1} - S_{2n} = -a_{2n+1} \leq 0, \] woraus $S_{2n} \geq S_{2n+1}$ folgt. Aus der Monotonie der beiden Teilfogen und dieser Ungleichung ergibt sich \[ S_2 \geq S_{2n} \geq S_{2n+1} \geq S_1. \] Somit sind beide Teilfolgen auch beschränkt. Mit dem Satz über die monotone Konvergenz folgt, dass sowohl $(S_{2n})$ als auch $(S_{2n+1})$ konvergent ist.

Es sei \[ s := \lim_{n\rightarrow\infty} S_{2n}\textnormal{ und } s' := \lim_{n\rightarrow\infty} S_{2n+1}. \] Damit folgt \begin{eqnarray*} s - s' & = & \lim_{n\rightarrow\infty} S_{2n} - \lim_{n\rightarrow\infty} S_{2n+1} \\ & = & \lim_{n\rightarrow\infty} (S_{2n} - S_{2n+1}) \\ & = & \lim_{n\rightarrow\infty} a_{2n+1} \\ & = & 0. \end{eqnarray*} Also gilt $s=s'$.

Wir müssen jetzt noch zeigen, dass aus der Konvergenz von $(S_{2n})$ und $(S_{2n+1})$ gegen den gleichen Grenzwert auch die Konvergenz von $(S_n)$ folgt.

Es sei $\epsilon > 0$ beliebig. Aus der Konvergenz von $(S_{2n})$ und $(S_{2n+1})$ gegen $s$ folgt die Existenz von $n_1, n_2\in\mathbb{N}$ mit \begin{eqnarray*} & & \forall n\geq n_1 : |S_{2n} - s| < \epsilon\\ & & \forall n\geq n_2 : |S_{2n+1} - s| < \epsilon. \end{eqnarray*} Da jedes $n\in\mathbb{N}$ entweder in der Folge $(2n)$ oder in der Folge $(2n+1)$ enthalten ist, folgt für alle $n\geq n_0:=\max\{2n_1,2n_2+1\}$, dass $|S_n-s| < \epsilon$ gilt. Damit ist die Folge $(S_n)$ der Partialsummen und somit die Reihe $\sum_{n=1}^\infty (-1)^n a_n$ konvergent.

Beispiel

Mit dem Leibniz-Kriterium können wir nun sehr einfach zeigen, dass die alternierende harmonische Reihe konvergent ist.

Die Folge $\left(\frac{1}{n}\right)$ ist monoton fallend und eine Nullfolge. Mit dem Leibniz-Kriterium folgt dann, dass die Reihe \[ \sum_{n=1}^\infty (-1)^n \frac{1}{n} \] konvergent ist.

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