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Analysis-Blog: Folge 30

Teleskopreihen

Reihen von denen nicht viel übrig bleibt und eine erste Grenzwertregel


Peter Becker

veröffentlicht: 12 May 2021, zuletzt geändert: 27 May 2024 15:13

Schlüsselwörter: Teleskopsumme, Teleskopreihe, Monotoniekriterium

In dieser Blog-Folge untersuchen wir die Reihe \[ \sum_{n=1}^\infty \frac{1}{n^2} \] auf Konvergenz.

Eine weitere konvergente Reihe

Diese Reihe ist offensichtlich weder eine geometrische Reihe noch die harmonische Reihe. Daher betrachten wir die Folge $(S_n)$ der Partialsummen und wenden auf diese Folge eines unserer bekannten Konvergenzkriterien für Folgen an.

Es gilt \[ S_{n+1} = \sum_{k=1}^{n+1} \frac{1}{k^2} = \frac{1}{(n+1)^2} + \sum_{k=1}^n \frac{1}{k} = \frac{1}{(n+1)^2} + S_n > S_n. \] Also ist die Folge $(S_n)$ der Partialsummen streng monoton wachsend.

Im nächsten Schritt zeigen wir, dass die Folge $(S_n)$ aber auch beschränkt ist. Es gilt nämlich \begin{eqnarray*} 0 & \leq & \sum_{k=1}^n \frac{1}{k^2} \\ & = & 1 + \sum_{k=2}^n \frac{1}{k^2} \\ & < & 1 + \sum_{k=2}^n \frac{1}{k(k-1)} \\ & = & 1 + \sum_{k=2}^n\left(\frac{1}{k-1} - \frac{1}{k}\right) \\ & = & 1 + \left( \left(1 - \frac{1}{2}\right) + \left(\frac{1}{2} - \frac{1}{3}\right) + \left(\frac{1}{3} - \frac{1}{4}\right) + \cdots + \left(\frac{1}{n-1} - \frac{1}{n}\right) \right) & = & 1 + 1 - \frac{1}{n} < 2. \end{eqnarray*} Also ist $(S_n)$ sowohl monoton wachsend als auch beschränkt. Mit dem Kriterium der monotonen Konvergenz folgt, dass $(S_n)$ konvergent ist.

Der Nachweis der Beschränktheit enthält einige interessante Überlegungen, die wir uns näher anschauen. Zunächst werden von der zweiten zur dritten Zeile die Summanden $\frac{1}{k^2}$ nach oben durch $\frac{1}{k(k-1)}$ abgeschätzt. Der Term $k(k-1)$ ist kleiner als $k^2$, woraus $\frac{1}{k(k-1)} > \frac{1}{k^2}$ folgt. Im nächsten Schritt nutzen wir die Identität \[ \frac{1}{k-1} - \frac{1}{k} = \frac{k}{(k-1)k} - \frac{k-1}{(k-1)k} = \frac{1}{k(k-1)}. \] Dadurch entsteht eine spezielle Form der Summe, die man Teleskopsumme nennt. Eine Teleskopsumme hat die Eigenschaft, dass sich mit Ausnahme des ersten Terms des ersten Summanden $(1)$ und des zweiten Terms des letzten Summanden $\left(\frac{1}{n}\right)$ alle anderen Terme aufheben.

Teleskopsummen und -reihen

Es lohnt sich, Teleskopsummen näher zu betrachten.

Definition

Für eine Folge $(a_n)$ ist \[ \sum_{k=1}^n (a_k - a_{k+1}) \] eine Teleskopsumme.

Eine Reihe, deren Partialsummen Teleskopsummen sind, heißt Teleskopreihe.

Teleskopsummen lassen sich, wie wir bereits oben gesehen haben, leicht auswerten: \[ \sum_{k=1}^n (a_k - a_{k+1}) = (a_1 - a_2) + (a_2-a_3) + \cdots + (a_n-a_{n+1}) = a_1 - a_{n+1}. \] Eine Teleskopreihe \[ \sum_{n=1}^\infty (a_n - a_{n+1}) \] ist somit genau dann konvergent, wenn $(a_n)$ konvergent ist (mit Grenzwert $a$). Der Grenzwert der Teleskopreihe ist dann $a_1-a$.

Eine erste Grenzwertregel für Reihen

Da eine Reihe ja im Prinzip nur eine spezielle Folgen ist, nämlich die Folge der Partialsummen, können wir einige bekannte Grenzwertregeln für Folgen direkt auf Reihen übertragen. Für Folgen gilt \[ \lim_{n\rightarrow \infty} a_n = a \text{ und } \lim_{n\rightarrow \infty} b_n = b \quad\Longrightarrow\quad \lim_{n\rightarrow \infty} (a_n + b_n) = a + b \] sowie \[ \lim_{n\rightarrow \infty} a_n = a \quad\Longrightarrow\quad \lim_{n\rightarrow \infty} \lambda a_n = \lambda a \] mit $\lambda \in \mathbb{C}$ oder $\lambda \in \mathbb{R}$. Mit anderen Worten: Wenn wir eine Linearkombination konvergenter Folgen bilden, dann ist auch diese Linearkombination konvergent und der Gernzwert dieser Folge ist die Linearkombination der Grenzwerte. Dies angewendet auf die Folgen der Partialsummen von Reihen führt zu der folgenden Grenzwertregel.

Lemma

Wenn \[ \sum_{n=1}^\infty a_n\quad\textnormal{und}\quad\sum_{n=1}^\infty b_n \] konvergente Reihen in $\mathbb{R}$ oder $\mathbb{C}$ sind und $\lambda,\mu\in\mathbb{R}$ oder $\mathbb{C}$ ist, dann ist auch die Reihe \[ \sum_{n=1}^\infty (\lambda a_n + \mu b_n) \] konvergent und es gilt \[ \sum_{n=1}^\infty (\lambda a_n + \mu b_n) = \lambda \sum_{n=1}^\infty a_n + \mu \sum_{n=1}^\infty b_n. \]

Wir demonstrieren diese Grenzwertregel an einem Beispiel.

Beispiel

Die Reihe \[ \sum_{n=0}^\infty \left( 3\left(\frac{1}{4}\right)^n+2\left(\frac{1}{3}\right)^n \right) \] ist konvergent, denn für die Partialsummen gilt \begin{eqnarray*} S_n & := & \sum_{k=0}^n \left(3\left(\frac{1}{4}\right)^k+ 2\left(\frac{1}{3}\right)^k\right)\\ & = & 3 \underbrace{\sum_{k=0}^n \left(\frac{1}{4}\right)^k}_{\rightarrow\frac{1}{1-\frac{1}{4}}} +\,2\underbrace{\sum_{k=0}^n \left(\frac{1}{3}\right)^k}_{\rightarrow\frac{1}{1-\frac{1}{3}}}. \end{eqnarray*} Beachte, dass die beiden einzelnen Reihen geometrische Reihen sind, für die wir den Grenzwert mit der bekannten Formel ermitteln können. Also \[ \sum_{n=0}^\infty \left(3\left(\frac{1}{4}\right)^n+2\left(\frac{1}{3}\right)^n\right) = 3\cdot\frac{4}{3} + 2\cdot\frac{3}{2} = 7. \]

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