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Analysis-Blog: Folge 20

Eigenschaften und Rechenregeln konvergenter Folgen

Wie wir Grenzwerte berechnen können


Peter Becker

veröffentlicht: 15 Apr 2024, zuletzt geändert: 06 May 2024 12:59

Schlüsselwörter: Folge, Grenzwert, konvergent, beschränkt

Nach dem wir nun wissen, was ein Grenzwert einer Folge ist, stellt sich die Frage, ob es Rechenregeln für solche Grenzwerte gibt und wie diese aussehen. Konkret: Wenn wir zwei konvergente Folgen $(a_n)$ und $(b_n)$ haben, mit den Grenzwerten $a$ bzw. $b$, ist dann auch die Folge $(a_n + b_n)$ konvergent? Und wenn ja, wie sieht deren Grenzwerte aus? Und wie ist dies für andere arithmetische Operationen, also z. B. für die Folge $(a_n b_n)$?

Beschränktheit

Als erstes definieren wir eine neue Eigenschaft von Folgen: die Beschränktheit.

Definition

Es sei $(a_n)$ eine reelle Zahlenfolge.

  1. Die Folge $(a_n)$ heißt nach oben beschränkt, wenn es eine Konstante $K \in \R$ gibt, so dass $a_n \leq K$ für alle $n\in\N$ gilt.

  2. Die Folge $(a_n)$ heißt nach unten beschränkt, wenn es eine Konstante $k \in \R$ gibt, so dass $a_n \geq k$ für alle $n\in\N$ gilt.

  3. Die Folge $(a_n)$ heißt beschränkt, wenn es eine Konstante $K \in \R_+$ gibt, so dass $|a_n| \leq K$ für alle $n\in\N$ gilt.

Proposition 1

Eine reelle Folge $(a_n)$ ist genau dann beschränkt, wenn sie sowohl nach oben als auch nach unten beschränkt ist.

Der Beweis dieser Proposition ist eine nette, kleine Übung.

Beweis/Übung

Beweise Proposition 1.

Es handelt sich um eine Äquivalenzaussage, daher müssen wir zwei Richtungen zeigen.

"$\Rightarrow$": Zur Erinnerung: In $\R$ gilt immer $|a| \geq a$ und $|a| \geq -a$.

Sei $(a_n)$ eine reelle beschränkt Folge. Dann existiert $K\in\R_+$, so dass gilt: \begin{eqnarray*} & & |a_n| \leq K \\ & \Rightarrow & a_n \leq K \wedge -a_n \leq K \\ & \Rightarrow & a_n \leq K \wedge a_n \geq -K. \end{eqnarray*} Also ist $(a_n)$ durch $K$ nach oben und durch $-K$ nach unten beschränkt.

"$\Leftarrow$": Es sei nun $(a_n)$ eine reelle Folge, die nach oben durch $K$ und nach unten durch $k$ beschränkt ist. Dann gilt: \begin{eqnarray*} & & k \leq a_n \leq K \\ & \Rightarrow & k\leq a_n \wedge a_n \leq K \\ & \Rightarrow & -a_n \leq -k \wedge a_n \leq K \\ & \Rightarrow & |a_n| \leq \max\{-k,K\}. \end{eqnarray*} Hinweis: Die letzte Folgerung gilt wegen $|a_n| = a_n$ oder $|a_n| = -a_n$.

Somit ist die Folge $(a_n)$ beschränkt und die Proposition bewiesen.

Das nächste Beispiel demonstriert, dass eine beschränkte Folge keineswegs konvergent sein muss.

Beispiel

Die reellen Folgen $(a_n), (b_n), (c_n)$ mit \begin{eqnarray*} a_n & = & (-1)^n \\ b_n & = & \left\{ \begin{array}{rl} 1 - \frac{1}{n} & \text{wenn $n$ keine Primzahl ist} \\ 0 & \text{sonst} \end{array} \right. \\ c_n & = & (-1)^n(1-q^n) \text{ mit } 0 < q < 1 \end{eqnarray*} sind alle beschränkt und divergent.

Natürlich gibt es auch beschränkte Folgen, die konvergent sind. Dies gilt beispielsweise für jede Folge $(a_n)$, die konstant ist, also $a_n = c$ für ein $c\in\R$. Demnach können wir alleine aus der Beschränktheit einer Folge weder auf ihre Konvergenz noch auf ihre Divergenz schließen. In die andere Richtung ist aber sehr wohl ein Schluss möglich, denn jede konvergente Folge ist auch beschränkt.

Satz

Jede konvergente reelle Zahlenfolge $(a_n)$ ist beschränkt.

Damit ist die Beschränktheit einer Folge eine notwendige Bedingung für ihre Konvergenz. Oder anders ausgedrückt: Eine Folge $(a_n)$, die nicht beschränkt ist, kann auch nicht konvergent sein.

Um dieses Satz zu beweisen, benötigen wir wieder eine Beweisidee. Konkret müssen wir im Beweis eine Schranke für die $|a_n|$ konstruieren. Wie kann uns das gelingen?

Nach Vorraussetzung ist $(a_n)$ konvergent, was ja bedeutet, dass abhängig von $\epsilon > 0$ ein Index $n_0\in\N$ existiert, so dass ab diesem Index $n_0$ die Folgenglieder $a_n$ zwischen $a - \epsilon$ und $a + \epsilon$ liegen, wenn $a$ der Grenzwert von $(a_n)$ ist. Dies gilt insbesondere für $\epsilon=1$. Damit können wir garantieren, dass ab einem Index $n_0$ die Folgenglieder durch $a-1$ nach unten und durch $a+1$ nach oben beschränkt sind. Damit haben wir eine Schranke für $|a_n|$, allerdings nur für $n\geq n_0$ und noch nicht für alle Folgenglieder.

Da aber ja nur endlich viele Folgenglieder einen Index $n < n_0$ haben, können wir daraus leicht eine Schranke für alle Folgenglieder konstruieren.

Der folgende Beweis formalisiert unsere Überlegungen.

Beweis

Es sei $(a_n)$ eine konvergente reelle Folge mit \[ \lim_{n\rightarrow \infty} a_n = a. \] Damit existiert für $\epsilon=1$ ein $n_0\in\N$, so dass für alle $n \geq n_0$ die Ungleichung $|a_n -a| < 1$ erfüllt ist. Somit ergibt sich \begin{eqnarray*} |a_n| & = & |a_n-a + a| \\ & \leq & |a_n - a| + |a| \\ & < & 1 + |a| \end{eqnarray*} für alle $n \geq n_0$. Wir definieren nun \[ K := \max\{|a_1|, |a_2|, \ldots,|a_{n_0-1}|,1+|a|\}. \] Mit dieser Definition von $K$ gilt somit \[ |a_n| \leq K \] für alle $n\in\N$.

Die Tatsache, dass jede reelle konvergente Folge auch beschränkt ist, werden wir weiter unten benutzen, um Rechenregeln für Grenzwerte zu begründen.

Rechenregeln für Grenzwerte

Wir beginnen mit einer einfachen Rechenregel, die besagt, dass bei der Addition von zwei konvergenten Folgen wieder eine konvergente Folge entsteht und sich die Grenzwerte addieren.

Proposition 2

Es seien $(a_n)$ und $(b_n)$ konvergente reelle Folgen mit \[ \lim_{n\rightarrow \infty} a_n = a \quad\text{und}\quad \lim_{n\rightarrow \infty} b_n = b. \]

Dann ist die Folge $(a_n\pm b_n)$ ebenfalls konvergent und es gilt \[ \lim_{n\rightarrow\infty} (a_n\pm b_n) = (a\pm b). \]

Beweis

Wir führen den Beweis zunächst nur für "$+$", d. h. wir zeigen \[ \lim (a_n + b_n) = a + b. \] Es sei $\epsilon > 0$ beliebig. Weil die Folgen $(a_n)$ und $(b_n)$ konvergent mit den Grenzwerten $a$ und $b$ sind, gilt \[ \forall \epsilon_1 >0 \exists n_1\in\N \forall n \geq n_1: |a_n - a| < \epsilon_1 \] und \[ \forall \epsilon_2 >0 \exists n_2\in\N \forall n \geq n_2: |b_n - b| < \epsilon_2. \] Wir setzen $\epsilon_1 = \epsilon_2 = \frac{\epsilon}{2}$. Die natürlichen Zahlen $n_1$ und $n_2$ seien die Indizes, die nach Voraussetzung für $\epsilon_1$ bzw. $\epsilon_2$ existieren.

Wir wählen $n_0 = \max\{n_1,n_2\}$. Dann gilt für alle $n \geq n_0$: \begin{eqnarray*} |(a_n+b_n) - (a+b)| & = & |(a_n-a) + (b_n-b)| \\ &\leq & |a_n-a| + |b_n-b| \\ & < & \epsilon_1 + \epsilon_2 \\ & = & \frac{\epsilon}{2} + \frac{\epsilon}{2} \\ & = & \epsilon. \end{eqnarray*} Damit ist die Aussage für "$+$" bewiesen.

Aus dem Satz zur umgekehrten Dreiecksungleichung folgt \[ |(a_n - b_n) - (a - b)| = |(a_n-a) - (b_n -b)| \leq |a_n-a| + |b_n-b|. \] Somit gilt auch \[ \lim (a_n - b_n) = a - b. \]

Die nächste Rechenregel lässt sich ebenfalls mit der umgekehrten Dreiecksungleichung beweisen.

Proposition 3

Es sei $(a_n)$ eine konvergente reelle Folge mit \[ \lim_{n\rightarrow \infty} a_n = a. \]

Dann gilt \[ \lim_{n\rightarrow\infty} |a_n| = |a|. \]

Beweis

Gemäß umgkehrter Dreiecksungleichung gilt \[ ||a_n| - |a|| \leq |a_n - a|. \] Wegen $\lim_{n\rightarrow\infty} a_n=a$ folgt somit direkt \[ \lim_{n\rightarrow\infty} |a_n| = |a|. \]

Das folgende Lemma ist sehr hilfreich für uns, denn es macht Grenzwertbeweise einfacher.

Lemma

Es sei $(a_n)$ eine reelle Folge. Dann sind die folgenden Aussagen äquivalent:

  1. Die Folge $(a_n)$ ist konvergent mit Grenzwert $a$.

  2. Es existiert ein $c > 0$, so dass \[ \forall \epsilon> 0 \exists n_0\in\N \forall n\geq n_0: |a_n - a| < c\epsilon. \]

Damit genügt es, innerhalb eines Grenzwertbeweises $|a_n - a| < c\epsilon$ für irgendein positives und von $\epsilon$ unabhängiges $c$ zu zeigen, um damit auf Konvergenz von $(a_n)$ mit Grenzwert $a$ schließen zu können. Wie groß $c$ dabei ist, ist irrelevant. Es muss nur konstant sein, d. h. unabhängig von $\epsilon$.

Dies erklärt auch, warum in manchen Lehrbüchern für die Grenzwertdefinition nicht wie bei uns die strikte Ungleichung $|a_n -a| < \epsilon$ verwendet wird, sondern die nicht strikte Variante $|a_n -a| \leq \epsilon$. Wenn wir nur diese einzelnen Ungleichungen betrachten, dann können sie natürlich unterschiedliche Lösungensmengen haben. Ein Folgenglied $a_n$ mit $a_n = a + \epsilon$ würde die zweite Ungleichung noch erfüllen, die erste aber nicht. Durch die Allquantifizierung über $\epsilon$ und die Existenzquantifizierung mit $n_0$ spielt dies für die Definition des Grenzwertes aber tatsächlich keine Rolle. Im Falle der strikten Ungleichung muss der Index $n_0$ eventuell größer gewählt werden, aber die Größe des Index ist ja nicht relevant, sondern nur seine Existenz.

Beweis

(i) $\Rightarrow$ (ii): Mit $c=1$ entspricht (ii) der Grenzwertdefintion.

(ii) $\Rightarrow$ (i): Es gelte (ii) in der Form \[ \exists c > 0 \forall \epsilon' > 0 \exists n_1 \in \N \forall n \geq n_1: |a_n -a| < \epsilon'. \] Es sei $\epsilon > 0$ beliebig. Wir wählen $\epsilon' = \frac{\epsilon}{c}$. Nach (ii) existiert ein $n_1\in\N$ mit $|a_n - a| < c\epsilon'$ für alle $n\geq n_1$.

Wir wählen $n_0 = n_1$. Damit gilt dann für alle $n\geq n_0$: \begin{eqnarray*} |a_n -a | & < & c\epsilon' \\ & = & c \frac{\epsilon}{c} \\ & = & \epsilon. \end{eqnarray*} Damit ist der Beweis erbracht.

Wir nutzen dieses Lemma gleich im Beweis der nächsten Rechenregeln.

Proposition 4

Es sei $\lambda\in\R$ und $(a_n)$ eine konvergente reelle Folge mit $\lim_{n\rightarrow \infty} = a$.

Dann gilt: \[ \lim_{n\rightarrow\infty} \lambda a_n = \lambda a. \]

Wenn wir eine konvergente Folge $(a_n)$ mit einer Konstanten $\lambda$ multiplizieren, ist also auch die Folge $(\lambda a_n)$ konvergent und die Konstante $\lambda$ überträgt sich auf den Grenzwert.

Beweis

Für $\lambda = 0$ ergibt sich $\lambda a_n = 0$. Diese Folge hat natürlich den Grenzwert $0$, womit die Aussage für $\lambda=0$ erfüllt ist. Wir können also $\lambda \neq 0$ voaussetzen.

Nach Voraussetzung ist $(a_n)$ konvergent, d. h. \[ |a_n-a| < \epsilon \text{ für alle } n\geq n_0. \] Damit ergibt sich ebenfalls für alle $n \geq n_0$: \[ |\lambda a_n - \lambda a| = |\lambda (a_n - a)| = |\lambda| |a_n-a| < |\lambda| \epsilon \] Gemäß dem Lemma von oben ist damit der Beweis erbracht, dass die Folge $(\lambda a_n)$ den Grenzwert $\lambda a$ hat.

Die nächste Rechenregel betrachtet die Multiplikation zweier konvergenter Folgen. Im Beweis der Rechenregel nutzen wir nicht nur die Dreiecksungleichung sowie obiges Lemma, sondern auch die Beschränktheit einer konvergenten Folge.

Proposition 5

Es seien $(a_n)$ und $(b_n)$ konvergente reelle Folgen mit \[ \lim_{n\rightarrow \infty} a_n = a \quad\text{und}\quad \lim_{n\rightarrow \infty} b_n = b. \]

Dann gilt: \[ \lim_{n\rightarrow\infty} a_nb_n = ab. \]

Beweis

Die Folgen $(a_n)$ und $(b_n)$ sind konvergent, d. h. \[ \forall \epsilon > 0 \exists n_1\in\N\forall n\geq n_1: |a_n -a| < \epsilon \] und \[ \forall \epsilon > 0 \exists n_2\in\N\forall n\geq n_2: |b_n -b| < \epsilon. \] Außerdem sind beide Folge da konvergent auch beschränkt. Insbesondere existiert also eine Zahl $B > 0$ mit \[ |b_n| \leq B \] für alle $n\in\N$.

Es sei $\epsilon > 0$ beliebig. Wir setzen $n_0 := \max\{n_1,n_2\}$. Damit gilt: \begin{eqnarray*} |a_n b_n - ab| & = & |a_n b_n -ab_n + ab_n - ab | \\ & \leq & |a_n b_n - a b_n| + |a b_n - ab| \\ & = & |b_n(a_n -a)| + |a(b_n-b)| \\ & = & |b_n||a_n -a| + |a||b_n-b| \\ & \leq & B|a_n-a| + |a||b_n-b| \\ & < & B\epsilon + |a|\epsilon \\ & = & (B+|a|) \epsilon. \end{eqnarray*} Gemäß dem Lemma von oben ist damit der Beweis erbracht, dass die Folge $(a_nb_n)$ den Grenzwert $ab$ hat, denn $B + |a|$ ist eine von $\epsilon$ unabhängige Konstante.

Die letzte elementare Rechenregel betrachtet die Folge $\left(\frac{1}{a_n}\right)$.

Proposition 6

Es sei $(a_n)$ eine reelle Folge mit \[ \lim_{n\rightarrow\infty} a_n = a \neq 0. \]

Dann gilt:

  1. Es existiert ein Index $n_0\in\N$, so dass $a_n \neq 0$ für alle $n \geq n_0$ gilt.

  2. Die Folge $\left(\frac{1}{a_n}\right)_{n\geq n_0}$ ist konvergent mit Grenzwert $\frac{1}{a}$.

Da $\frac{1}{a_n}$ für $a_n=0$ nicht definiert ist, müssen dafür sorgen, dass $a_n \neq 0$ gilt. Dies können wir ab einem Index $n_0$ garantieren, wenn für den Grenzwert $a\neq 0$ gilt.

Beweis/Übung

Beweise die Aussagen von Proposition 6!

  1. Zur Erinnerung: $|a_n-a| < \epsilon$ bedeutet, dass das Folgenglied $a_n$ in der $\epsilon$-Umgebung des Grenzwerts $a$ liegt, also \[ a-\epsilon < a_n < a+ \epsilon. \] Nach Voraussetzung ist $(a_n)$ konvergent, d. h. \[ \forall \epsilon > 0 \exists n_0 \in\N \forall n\geq n_0: a - \epsilon < a_n < a + \epsilon. \] Wir betrachten diese Aussage für $\epsilon = |a|$. Wegen $a\neq 0$ gilt damit $\epsilon > 0$ und es folgt \[ \forall n\geq n_0: a - |a| < a_n < a + |a|. \] Für $a > 0$ und somit $|a|=a$ bedeutet dies \[ \forall n\geq n_0: 0 < a_n < 2a \] und für $a < 0$ und somit $|a|=-a$ bedeutet dies \[ \forall n\geq n_0: 2a < a_n < 0. \] In beiden Fällen gilt somit $a_n \neq 0$ für alle $n\geq n_0$.

  2. Zunächst einige Vorüberlegungen: Die Folge $(a_n)$ ist nach Voraussetzung konvergent mit Grenzwert $a \neq 0$. Gemäß Proposition 3 ist somit auch die Folge $(|a_n|)$ konvergent mit Grenzwert $|a| > 0$. Dies bedeutet wiederum: \[ \forall \epsilon > 0 \exists n_1 \in \N \forall n\geq n_1: |a| - \epsilon < |a_n| < |a| + \epsilon. \] Mit $\epsilon = \frac{|a|}{2}$ ergibt sich dann: \[ \exists n_1 \in \N \forall n\geq n_1: \frac{|a|}{2} < |a_n| < \frac{3|a|}{2}. \] Von dieser Aussage nutzen wir weiter unten die Ungleichung \[ \frac{|a|}{2} < |a_n|. \]

    Jetzt kommen wir zum eigentlichen Beweis. Nach Voraussetzung ist $(a_n)$ konvergent mit Grenzwert $a$, d. h. \[ \forall \epsilon > 0 \exists n_2 \in \N \forall n \geq n_2: |a_n - a| < \epsilon. \] Es sei $\epsilon > 0$ beliebig. Wir wählen $n_0 = \max\{n_1,n_2\}$, also dem $n_1$ aus der Vorüberlegung und dem $n_2$ aus der Voraussetzung. Dann gilt für alle $n\geq n_0$: \begin{eqnarray*} \left| \frac{1}{a_n} - \frac{1}{a}\right| & = & \left| \frac{a-a_n}{a_n a}\right| \\ & = & \frac{|a-a_n|}{|a_n a|} \\ & = & \frac{|a_n-a|}{|a_n a|} \\ & < & \frac{\epsilon}{|a_n a|} \\ & = & \frac{\epsilon}{|a_n| |a|} \end{eqnarray*} Jetzt müssen wir irgendwie $a_n$ durch Abschätzung eliminieren. Hierzu nutzen wir das Ergebnis $|a_n| > \frac{|a|}{2}$ aus unserer Vorüberlegung. \begin{eqnarray*} & < & \frac{\epsilon}{\frac{|a|}{2}|a|} \\ & = & \frac{2}{|a|^2}\epsilon. \end{eqnarray*} Damit ist gezeigt, dass die Folge $\left(\frac{1}{a_n}\right)$ den Grenzwert $\frac{1}{a}$ hat.

Mit den bisher formulierten Rechenregeln können wir weitere Rechenregeln durch direkte Anwendung herleiten.

Proposition 7

  1. Für alle $k\in\N$ ist die Folge $\left(\frac{1}{n^k}\right)$ eine Nullfolge.

  2. Es sei $(a_n)$ eine konvergente Folge mit $\lim_{n\rightarrow\infty} a_n = a$.

    Dann ist die Folge $\left(a_n^k\right)$ für alle $k\in\N_0$ konvergent und es gilt \[ \lim_{n\rightarrow\infty} a_n^k = a^k. \]

  3. Es seien $(a_n)$ und $(b_n)$ konvergente Folgen mit $\lim_{n\rightarrow\infty} a_n = a$ und $\lim_{n\rightarrow\infty} b_n = b \neq 0$.

    Dann existiert ein Index $n_0\in\N$ mit $b_n \neq 0$ für $n\geq n_0$ und für die Folge $\left(\frac{a_n}{b_n}\right)_{n\geq n_0}$ gilt: \[ \lim_{n\rightarrow\infty} \frac{a_n}{b_n} = \frac{a}{b}. \]

Übung

Beweise die Aussagen von Proposition 7.

Es wird Zeit, diese ganzen Regeln einmal anzuwenden.

Beispiel

  1. Wir betrachten die Folge $(a_n)$ mit \[ a_n = \frac{1}{n} + \frac{3}{n^2}. \] Wir wissen, dass $\left(\frac{1}{n}\right)$ eine Nullfolge ist. Nach Proposition 7 ist auch $\left(\frac{1}{n^2}\right)$ eine Nullfolge. Mit Proposition 4 folgt dann, dass auch $\left(\frac{3}{n^2}\right)$ eine Nullfolge ist. Wenn wir jetzt noch Proposition 2 anwenden, ergibt sich \[ \lim_{n\rightarrow\infty} a_n = 0. \] Die Folge $(a_n)$ ist also auch eine Nullfolge.

  2. Es sei \[ b_n = (3+10^{-n}) \cdot \frac{1}{2^{n-3}}. \]

    Es gilt \[ 10^{-n} = \left(\frac{1}{10}\right)^n. \] Diese Folge ist eine Nullfolge. Mit Proposition 2 folgt \[ \lim_{n\rightarrow\infty} 3 + 10^{-n} = 3. \] Weiterhin gilt \[ \frac{1}{2^{n-3}} = \frac{8}{2^n} = 8\cdot \left(\frac{1}{2}\right)^n. \] Da $\left(\frac{1}{2}\right)^n$ wieder eine Nullfolge ist, gilt \[ \lim_{n\rightarrow\infty} \frac{1}{2^{n-3}} = 0. \] Mit Proposition 5 erhalten wir insgesamt \[ \lim_{n\rightarrow\infty} c_n = 3\cdot 0 = 0. \]

  3. Es sei \[ c_n = \frac{2n^2 - 3}{n^2 + n + 1}. \] Durch Erweiterung des Bruchs mit $\frac{1}{n^2}$ ergibt sich \[ c_n = \frac{2 - \frac{3}{n^2}}{1 + \frac{1}{n} + \frac{1}{n^2}}. \] Die Folgen $\left(\frac{3}{n^2}\right), \left(\frac{1}{n}\right)$ und $\left(\frac{1}{n^2}\right)$ sind alles Nullfolgen. Damit konvergiert nach Proposition 2 der Zähler gegen $2$ und der Nenner gegen $1$. Mit Proposition 7 (iii) erhalten wir \[ \lim_{n\rightarrow\infty} c_n = \lim_{n\rightarrow\infty} \frac{2n^2 - 3}{n^2 + n + 1} = 2. \]

  4. Es sei \[ d_n = \frac{-5n + 1}{4n^2 - 7}. \] Wir erweitern wieder mit $\frac{1}{n^2}$ und erhalten damit \[ d_n = \frac{-\frac{5}{n} + \frac{1}{n^2}}{4 - \frac{7}{n^2}}. \] Der Zähler konvergiert gegen $0$, der Nenner gegen $4$. Also folgt mit Proposition 7 (iii) \[ \lim_{n\rightarrow\infty} d_n = \lim_{n\rightarrow\infty} \frac{-5n + 1}{4n^2 - 7} = 0. \]

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